Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Verhinderung rechtsstaatlich problematischer „Paralleljustiz“: Konstituierende Sitzung

Unter dem Vorsitz des bayerischen Justizministeriums fand im Münchner Justizpalast die konstituierende Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Verhinderung rechtsstaatlich problematischer „Paralleljustiz“ statt. Die Arbeitsgruppe wurde auf Initiative des bayerischen Justizministers Prof. Dr. Winfried Bausback auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 06.11.2014 eingerichtet.

Bausback zu diesem Anlass: „Eine ‚Paralleljustiz‘, die hinter verschlossenen Türen jenseits unserer demokratischen Rechtsordnung nach ihren eigenen Regeln arbeitet, hat in unserem Rechtsstaat nichts zu suchen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass sich in unserem Staat Räume entwickeln, in denen die Werte und Normen des Grundgesetzes nicht gelten. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass die Länder hier gemeinsam aktiv werden, denn die Schattenjustiz macht an den Ländergrenzen nicht halt!“

Bei dem Phänomen „Paralleljustiz“ handele es sich um eine Form der nicht tolerablen internen Konfliktlösung, die die Aufklärung von Straftaten behindere und das Wertesystem des Grundgesetzes nicht anerkenne. Im Mittelpunkt stünden sog. Friedensrichter. Dies sind meist Autoritätspersonen wie Familienälteste oder Imame, die Streitigkeiten aller Art zwischen den Beteiligten privat regeln“, so der Minister. „Eine solche ‚Paralleljustiz‘ ist nicht akzeptabel. Die Justiz duldet keine Entscheidungen, die die Grundentscheidungen unserer Verfassung ignorieren wie den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau.“

Die Erfahrungen mit dem Phänomen „Paralleljustiz“ seien in den Ländern sehr unterschiedlich. Zudem gebe es noch immer kaum empirische Erkenntnisse. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir in der Arbeitsgruppe länderübergreifend unsere Erkenntnisse austauschen und unser Know-how bündeln“, so Bausback. „Wir brauchen dringend gemeinsame Lösungsstrategien gegen selbsternannte Hinterzimmerrichter!“

Hintergrund

Im Herbst 2011 sorgte das Phänomen „Paralleljustiz“ vor dem Hintergrund verschiedener Publikationen und Berichterstattungen für erhebliche mediale Aufmerksamkeit. Bayern hatte als erstes Land reagiert und bereits Ende 2011 einen Runden Tisch „Paralleljustiz“ mit verschiedenen Experten eingerichtet. Auch auf Bayerns Initiative hin wurde im Koalitionsvertrag auf Bundesebene illegaler „Paralleljustiz“ eine klare Absage erteilt.

Neben Bayern sind in der Arbeitsgruppe die Länder Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sowie die Kultusministerkonferenz und die Innenministerkonferenz vertreten. Alle anderen Länder, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und die Integrationsministerkonferenz werden eng in die Ergebnisse der Arbeitsgruppe eingebunden. Der Zivilrechtsprofessor und Islamwissenschaftler Prof. Dr. Mathias Rohe von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg leistet der Arbeitsgruppe Unterstützung. Rohe gilt national und international als Experte auf dem Gebiet der religiös und kulturell motivierten außergerichtlichen Streitbeilegung und berät das bayerische Justizministerium seit Ende 2011 bei verschiedensten Aktivitäten gegen die Entstehung und Ausweitung von „Paralleljustiz“.

Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Nr. 55 v. 31.03.2015

Anmerkung der Redaktion

S. zum Thema „Paralleljustiz“ zum einen die Studie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Gibt es eine Paralleljustiz in Deutschland? Streitbeilegung im Rechtsstaat und muslimische Traditionen“ und zum andern die Arbeit von Hötte, Religiöse Schiedsgerichtsbarkeit – Angloamerikanische Rechtspraxis, Perspektive für Deutschland.

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