“We think too much and feel too little” – The Great Dictator’s Speech

Die Rede des großen Diktators im Original und in der Synchronisation.


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Milchmädchenrechnung

Ich muss an eine Legende denken, die über Krishna erzählt wird, zu der Zeit, als er ein Kuhhirte war. Den Rest des Beitrags lesen »

Goldene Worte

Das Grundgesetz legt … nicht etwa einen „ethischen Standard“ im Sinne eines Bestandes von bestimmten weltanschaulichen Prinzipien fest, etwa „nach den Maximen, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben“… Der „ethische Standard“ des Grundgesetzes ist vielmehr die Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen angesichts eines Menschenbildes, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt ist. In dieser Offenheit bewährt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Den Rest des Beitrags lesen »

Quattuor pro toto

Quattuor pro toto

Tres pro toto

SALADIN. Ich heische deinen Unterricht in ganz
Was andern; ganz was andern. – Da du nun
So weise bist: so sage mir doch einmal –
Was für ein Glaube, was für ein Gesetz
Hat dir am meisten eingeleuchtet?

NATHAN. Sultan,
Ich bin ein Jud’.

SALADIN. Und ich ein Muselmann.
Der Christ ist zwischen uns. – Von diesen drey
Religionen kann doch eine nur
Die wahre seyn. – Ein Mann, wie du, bleibt da
Nicht stehen, wo der Zufall der Geburth
Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt,
Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern.
Wohlan! so theile deine Einsicht mir
Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen
Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit
Gehabt. Laß mich die Wahl, die diese Gründe
Bestimmt, – versteht sich, im Vertrauen – wissen,
Damit ich sie zu meiner mache. – Wie?
Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? – Kann
Wohl seyn, daß ich der erste Sultan bin,
Der eine solche Grille hat; die mich
Doch eines Sultans eben nicht so ganz
Unwürdig dünkt. – Nicht wahr? – So rede doch!
Sprich! – Oder willst du einen Augenblick,
Dich zu bedenken? Gut; ich geb’ ihn dir. –
(Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen;
Will hören, ob ichs recht gemacht. – ) Denk nach!
Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück
Zu kommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.)

NATHAN (allein). Hm! hm! – wunderlich! – Wie ist
Mir denn? – Was will der Sultan? was? – Ich bin
Auf Geld gefaßt; und er will – Wahrheit. Wahrheit!
Und will sie so, – so baar, so blank, – als ob
Die Wahrheit Münze wäre! – Ja, wenn noch
Uralte Münze, die gewogen ward! –
Das ginge noch! Allein so neue Münze,
Die nur der Stempel macht, die man aufs Bret
Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!
Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf
Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?
Ich oder er? – Doch wie? Sollt’ er auch wohl
Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? – Zwar,
Zwar der Verdacht, daß er die Wahrheit nur
Als Falle brauche, wär’ auch gar zu klein! –
Zu klein? – Was ist für einen Grossen denn
Zu klein? – Gewiß, gewiß: er stürzte mit
Der Thüre so ins Haus! Man pocht doch, hört
Doch erst, wenn man als Freund sich naht. – Ich muß
Behutsam gehn! – Und wie? wie das? – So ganz
Stockjude seyn zu wollen, geht schon nicht. –
Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.
Denn, wenn kein Jude, dürft er mich nur fragen,
Warum kein Muselmann? – Das wars! Das kann
Mich retten! – Nicht die Kinder blos, speist man
Mit Mährchen ab. – Er kömmt. Er komme nur!

SALADIN. (So ist das Feld hier rein!) – Ich komm’ dir doch
Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande
Mit deiner Ueberlegung. – Nun so rede!
Es hört uns keine Seele.

NATHAN. Möcht auch doch
Die ganze Welt uns hören.

SALADIN. So gewiß
Ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn’
Ich einen Weisen! Nie die Wahrheit zu
Verhehlen! für sie alles auf das Spiel
Zu setzen! Leib und Leben! Gut und Blut!

NATHAN. Ja! ja! wanns nöthig ist und nutzt.

SALADIN. Von nun
An darf ich hoffen, einen meiner Titel,
Verbesserer der Welt und des Gesetzes,
Mit Recht zu führen.

NATHAN. Traun, ein schöner Titel!
Doch, Sultan, eh ich mich dir ganz vertraue,
Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen zu
Erzählen?

SALADIN. Warum das nicht? Ich bin stets
Ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut
Erzählt.

NATHAN. Ja, gut erzählen, das ist nun
Wohl eben meine Sache nicht.

SALADIN. Schon wieder
So stolz bescheiden? – Mach! erzähl’, erzähle!

NATHAN. Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten,
Der einen Ring von unschätzbarem Werth’
Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein
Opal, der hundert schöne Farben spielte,
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott
Und Menschen angenehm zu machen, wer
In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,
Daß ihn der Mann in Osten darum nie
Vom Finger ließ; und die Verfügung traf,
Auf ewig ihn bey seinem Hause zu
Erhalten? Nehmlich so. Er ließ den Ring
Von seinen Söhnen dem Geliebtesten;
Und setzte fest, daß dieser wiederum
Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
Der ihm der liebste sey; und stets der Liebste,
Ohn’ Ansehn der Geburt, in Kraft allein
Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. –
Versteh mich, Sultan.

SALADIN. Ich versteh dich. Weiter!

NATHAN. So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
Auf einen Vater endlich von drey Söhnen;
Die alle drey ihm gleich gehorsam waren,
Die alle drey er folglich gleich zu lieben
Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit
Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald
Der dritte, – so wie jeder sich mit ihm
Allein befand, und sein ergiessend Herz
Die andern zwey nicht theilten, – würdiger
Des Ringes; den er denn auch einem jeden
Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
Das ging nun so, so lang es ging. – Allein
Es kam zum Sterben, und der gute Vater
Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwey
Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort
Verlassen, so zu kränken. – Was zu thun? –
Er sendet in geheim zu einem Künstler,
Bey dem er, nach dem Muster seines Ringes,
Zwey andere bestellt, und weder Kosten
Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,
Kann selbst der Vater seinen Musterring
Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft
Er seine Söhne, jeden ins besondre;
Giebt jedem ins besondre seinen Seegen, –
Und seinen Ring, – und stirbt. – Du hörst doch, Sultan?

SALADIN (der sich betroffen von ihm gewandt).
Ich hör, ich höre! – Komm mit deinem Mährchen
Nur bald zu Ende. – Wirds?

NATHAN. Ich bin zu Ende.
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. –
Kaum war der Vater todt, so kömmt ein jeder
Mit seinem Ring’, und jeder will der Fürst
Des Hauses seyn. Man untersucht, man zankt,
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht
Erweislich; – (nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet) Fast so unerweislich, als
Uns itzt – der rechte Glaube.

SALADIN. Wie? das soll
Die Antwort seyn auf meine Frage?…

NATHAN. Soll
Mich blos entschuldigen, wenn ich die Ringe,
Mir nicht getrau zu unterscheiden, die
Der Vater in der Absicht machen ließ,
Damit sie nicht zu unterscheiden wären.

SALADIN. Die Ringe! – Spiele nicht mit mir! – Ich dächte,
Daß die Religionen, die ich dir
Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären.
Bis auf die Kleidung; bis auf Speis und Trank!

NATHAN. Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. –
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte?
Geschrieben oder überliefert! – Und
Geschichte muß doch wohl allein auf Treu
Und Glauben angenommen werden? – Nicht? –
Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn
Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen?
Doch deren Blut wir sind? doch deren, die
Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe
Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo
Getäuscht zu werden uns heilsamer war? –
Wie kann ich meinen Vätern weniger,
Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. –
Kann ich von dir verlangen, daß du deine
Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht
Zu widersprechen? Oder umgekehrt.
Das nehmliche gilt von den Christen. Nicht? –

SALADIN. (Bey dem Lebendigen! Der Mann hat Recht.
Ich muß verstummen.)

NATHAN. Laß auf unsre Ring’
Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne
Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter,
Unmittelbar aus seines Vaters Hand
Den Ring zu haben. – Wie auch wahr! – Nachdem
Er von ihm lange das Versprechen schon
Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu
Geniessen. – Wie nicht minder wahr! – Der Vater,
Betheu’rte jeder, könne gegen ihn
Nicht falsch gewesen seyn; und eh’ er dieses
Von ihm, von einem solchen lieben Vater,
Argwohnen laß’: eh’ müß’ er seine Brüder,
So gern er sonst von ihnen nur das Beste
Bereit zu glauben sey, des falschen Spiels
Bezeihen; und er wolle die Verräther
Schon auszufinden wissen; sich schon rächen.

SALADIN. Und nun, der Richter? – Mich verlangt zu hören,
Was du den Richter sagen lässest. Sprich!

NATHAN. Der Richter sprach: wenn ihr mir nun den Vater
Nicht bald zur Stelle schafft, so weis’ ich euch
Von meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Räthsel
Zu lösen da bin? Oder harret ihr,
Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? –
Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;
Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß
Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden
Doch das nicht können! – Nun; wen lieben zwey
Von euch am meisten? – Macht, sagt an! Ihr schweigt?
Die Ringe wirken nur zurück? und nicht
Nach aussen? Jeder liebt sich selber nur
Am meisten? – O so seyd ihr alle drey
Betrogene Betrieger! Eure Ringe
Sind alle drey nicht echt. Der echte Ring
Vermuthlich ging verloren. Den Verlust
Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater
Die drey für einen machen.

SALADIN. Herrlich! herrlich!

NATHAN. Und also; fuhr der Richter fort, wenn ihr
Nicht meinen Rath, statt meines Spruches, wollt:
Geht nur! – Mein Rath ist aber der: ihr nehmt
Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von
Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:
So glaube jeder sicher seinen Ring
Den echten. – Möglich; daß der Vater nun
Die Tyranney des Einen Rings nicht länger
In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiß;
Daß er euch alle drey geliebt, und gleich
Geliebt: indem er zwey nicht drücken mögen,
Um einen zu begünstigen. – Wohlan!
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurtheilen freyen Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmuth,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohlthun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott,
Zu Hülf’! Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Bey euern Kindes-Kindeskindern äussern:
So lad’ ich über tausend tausend Jahre,
Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen,
Als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der
Bescheidne Richter.

Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise, 1779, 3. Aufzug, 5. bis 7. Auftritt