VG Bremen: Erfolgreicher Eilantrag gegen Versammlungsauflagen für eine pro-palästinensische Versammlung

Die Antragstellerin möchte ab dem 02.05.2024 wöchentlich eine stationäre Kundgebung zur „Situation im Nahen Osten“ durchführen. Die Versammlung soll in dem Zeitraum vom 02.05.2024 bis 13.06.2024 jeweils donnerstags zwischen 16.30 Uhr und 18.30 Uhr auf dem Grasmarkt in Bremen stattfinden. Das Ordnungsamt der Antragsgegnerin bestätigte mit Verfügung vom 25.04.2024 die Durchführung der Versammlung im angemeldeten Umfang, erteilte der Antragstellerin aber verschiedene Auflagen.

U.a. untersagte sie der Antragstellerin die Verwendung des Slogans „From the river to the sea – Palestine will be free“, die Darstellung des israelischen Staatsgebietes in den Farben der palästinensischen Flagge sowie den Slogan „Kindermörder Israel“. Sie begründete diese Auflagen u.a. damit, dass die Verwendung dieser Inhalte Straftatbestände erfüllen würde (Öffentliche Billigung von Straftaten, Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung oder Verwenden von Kennzeichen verbotener und terroristischer Vereinigungen).

Die 5. Kammer des VG Bremen hat dem Eilantrag stattgegeben. Aus Sicht des Gerichts wird die öffentliche Sicherheit durch die Verwendung der genannten Inhalte voraussichtlich nicht beeinträchtigt. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit umfasse nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Grunde nach auch Meinungen, die rassistisch, antisemitisch oder verfassungsfeindlicher Natur seien. Die inhaltliche Bewertung der geäußerten Meinungen stehe im Grundsatz zunächst weder Behörden noch Gerichten zu. Die Meinungsfreiheit finde ihre Beschränkung im Wesentlichen nur dann, wenn die geäußerten Inhalte gegen strafrechtliche Verbotsnormen verstießen. Dabei müsse – wenn es mehrere nicht fernliegende Deutungsmöglichkeiten einer Äußerung gebe – stets die Variante zu Grunde gelegt werden, die noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Daran gemessen würden die genannten Versammlungsinhalte voraussichtlich keinen Straftatbestand erfüllen. Das deutsche Strafrecht enthalte nach geltendem Recht keine Norm, die eine Leugnung des Existenzrechts Israels – ohne das Hinzutreten weiterer strafbegründender Umstände – unter Strafe stelle. Konkret könne insbesondere die Forderung nach einem palästinensischen Staat an Stelle eines israelischen nicht ausschließlich so verstanden werden, dass hiermit der Angriff der Hamas auf Israel gebilligt werde. Auch der Slogan „Kindermörder Israel“, der sprachlich an die antisemitische Ritualmordlegende erinnere, könne noch als überspitzte Kritik am israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen verstanden werden.

Gegen die Entscheidung kann die Antragsgegnerin innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses Beschwerde zum OVG Bremen erheben. (VG Bremen, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 V 1013/24)

Pressemitteilung des VG Bremen v. 29.04.2024

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