OLG Stuttgart: Urteil in einem Staatsschutzverfahren wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ u.a.

Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart verkündete unter dem Vorsitz von Herbert Anderers ein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen eine 32 Jahre alte Angeklagte. Die Angeklagte wurde wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Kriegsverbrechen gegen Eigentum, der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über zwei Kriegswaffen und des Besitzes zweier halbautomatischen Kurzwaffen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Dem Urteil waren zehn Verhandlungstage seit dem 03.05.2019 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat unter anderem mehrere Bild- und Videodokumente in Augenschein genommen und eine Vielzahl von insbesondere von der Angeklagten stammenden Texten eingeführt.

Nach den Feststellungen des Senats reiste die aus Nordbaden stammende Angeklagte, die im Jahr 2008 zum Islam konvertiert war, Anfang Dezember 2013 von Berlin nach Syrien aus und schloss dort noch am Tag ihrer Ankunft die Ehe nach islamischem Ritus mit einem ihr bis dahin unbekannten höherrangigen Kämpfer der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ („IS“). Spätestens im Januar 2014 schloss auch sie sich dem „IS“ an.

Die Angeklagte hielt sich in der Folgezeit, bis zu ihrer Flucht im August 2017, an wechselnden Orten im Herrschaftsgebiet des „IS“ in Syrien und im Irak auf. Sie wohnte dabei in Unterkünften, die ihr und ihrem Mann vom „IS“ zur Verfügung gestellt worden waren, nachdem deren Eigentümer diese auf der Flucht vor dem „IS“ zurückgelassen hatten. Neben der Versorgung der während ihres Aufenthalts geborenen zwei Kinder und der Führung des gemeinsamen Haushaltes betätigte sich die Angeklagte ausgeprägt in propagandistischer Weise für den „IS“. Sie führte nacheinander zwei öffentliche Internetblogs in deutscher Sprache, in denen sie zum Teil bewusst unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und Beschönigung der Lebensverhältnisse vor Ort intensiv für eine Ausreise und einen Anschluss an den „IS“ warb. Die Ausreise zum IS stellte sie hierbei als heilige Pflicht dar. So beschrieb sie Hinrichtungen unter dem Titel „Das Köpfchen ab“, veröffentlichte Bilder hingerichteter Opfer und rechtfertigte diese: „Wer den islamischen Staat aber bekämpft, hintergeht, verrät oder sonst was dagegen tut, um ihm zu schaden, der wird hingerichtet. Fertig!“. Zugleich beschrieb sie die Erfolge des „IS“: „Wir erobern immer mehr Gebiete, werden immer größer und stärker“, „möge Allah … alle Muslime vereinen und sie gemeinsam zum Sieg führen“, und ihre Haltung zum „IS“: „Ich habe mich auch entschieden, für Allah zu opfern“. Weiter verfügte die Angeklagte während ihres Aufenthaltes teilweise zeitgleich über zwei Schuss- und zwei Kriegswaffen, nämlich Pistolen und Maschinenpistolen, um feindliche Angreifer abwehren zu können. Schließlich nahm sie als Repräsentantin des „IS“ an mehreren Hinrichtungen teil.

Bei der Strafzumessung hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass sich die Angeklagte über einen langen Zeitraum, nahezu dreieinhalb Jahre, an einer Organisation beteiligt hat, die mit äußerster Brutalität sowohl gegen Gegner als auch unbeteiligte Dritte vorgegangen ist und die für zahlreiche Anschläge und Todesopfer, darunter viele Zivilisten, verantwortlich ist. Ihre Propagandatätigkeit und die damit beabsichtigte Mitgliederwerbung waren von elementarer Bedeutung für das Fortbestehen der Vereinigung und wurden von ihr auch noch zu einem Zeitpunkt betrieben, als sich die Lage für den IS vor Ort bereits dramatisch verschlechtert hatte.

Zu Gunsten der bislang nicht vorbestraften Angeklagten hat der Senat demgegenüber insbesondere berücksichtigt, dass sie weitgehend geständig war, sehr um die Verkürzung der Beweisaufnahme bemüht war und sich zwischenzeitlich von der Vereinigung und deren Gedankengut distanziert hat.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagten und dem Generalbundesanwalt stehen gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum BGH offen. (OLG Stuttgart, Urt. v. 05.07.2019 – 5 – 2 StE 11/18)

Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 05.07.2019

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