Das Verbot eines Unternehmens der Privatwirtschaft, auffällige großflächige Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen am Arbeitsplatz zu tragen, wirft Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht auf. Diese Fragen müssen im Zusammenhang mit Konventions- und Verfassungsrecht durch ein Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden, das der Zehnte Senat des BAG an den EuGH richtet.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Einzelhandels. Die Klägerin ist muslimischen Glaubens. Sie ist als Verkaufsberaterin und Kassiererin beschäftigt. Nach Rückkehr aus der Elternzeit trug die Klägerin – anders als zuvor – ein Kopftuch. Sie erfüllt damit ein islamisches Bedeckungsgebot, das sie als zwingend empfindet. Der Aufforderung der Beklagten, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Die Beklagte stützt sich zuletzt auf eine für alle Verkaufsfilialen geltende Kleiderordnung. Nach ihr ist das Tragen auffälliger großflächiger religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Zeichen am Arbeitsplatz verboten.
Mit ihrer Klage will die Klägerin festgestellt wissen, dass die darauf beruhende Weisung der Beklagten unwirksam ist. Sie ist der Auffassung, die Weisung sei unwirksam, weil sie dadurch wegen ihrer Religion diskriminiert werde. Die Beklagte beruft sich auf ihre unternehmerische Freiheit und den Schutz der negativen Religionsfreiheit ihrer Kunden und Arbeitnehmer.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Zehnte Senat des BAG ersucht den EuGH, Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG und dem Verhältnis von primärem Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht zu beantworten. Ist eine allgemeine Anordnung in der Privatwirtschaft, die auch das Tragen auffälliger religiöser Zeichen verbietet, auf Grund der von Art. 16 der Charta der Grundrechte der EU geschützten unternehmerischen Freiheit diskriminierungsrechtlich stets gerechtfertigt? Oder kann die Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin berücksichtigt werden, die von der Charta, der EMRK und dem Grundgesetz geschützt wird? (BAG, Beschl. v. 30.01.2019 – 10 AZR 299/18 [A])
Pressemitteilung des BAG Nr. 4 v. 30.01.2019
5. Mai 2023 um 09:53
[…] MJ erhob gegen die Weisung ihres Arbeitgebers Klage. Dieser beantragt beim BAG, die Klage von MJ abzuweisen. […]
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