LAG Rheinland-Pfalz: Außerordentliche, fristlose Kündigung eines Fußballspielers im Zusammenhang mit einer Meinungsäußerung

Der Beklagte ist ein Sportverein und nimmt mit seiner ersten Herrenmannschaft am Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga teil. Der Kläger ist ein Fußballspieler und hat mit dem Beklagten im September 2023 einen Spielervertrag geschlossen.

Nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad auf den Staat Israel am 07.10.2023 wurden auf dem Account des Klägers bei X und bei Instagram verschiedene Posts veröffentlicht. So verwendete der Kläger auf seinem Account bei Instagram am 15.10.2023 in einem – nach Hinweis des Beklagten von ihm nach sieben Minuten gelöschten – Post unter anderem den Satz “From the river to the sea, Palestine will be free.”

Am 17.10.2023 führte der Beklagte mit dem Kläger wegen der Posts ein Gespräch und stellte den Kläger frei. In einem weiteren Gespräch am 26.10.2023 übergab der Beklagte dem Kläger ein Schreiben, indem er ihn aufforderte, sich von seinen bisherigen Äußerungen zu distanzieren und insbesondere unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, „den Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten als solchen“ zu verurteilen.

Nachdem sich die Parteien auf eine gemeinsame Erklärung nicht hatten verständigen können, teilte der Kläger am 27.10.2023 auf seinem Account bei Instagram mit, er verurteile die Tötung aller unschuldigen Zivilisten in Palästina und Israel, sein Mitgefühl gelte den unschuldigen Opfern dieses Konflikts, ungeachtet ihrer Nationalität, er setze sich für eine friedliche und integrierte Nahostregion ein und er versichere für den Fall, dass seine früheren Äußerungen missverständlich gewesen seien, dass er für Frieden und Menschlichkeit für alle stehe.

Am 30.10.2023 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Abmahnung (für den Kläger)“ eine Pressemitteilung. In dieser teilte er u.a. mit, dem Kläger eine Chance zur Rehabilitation einzuräumen und dessen zeitnahe Rückkehr in den Trainings- und Spielbetrieb zu planen.

In Reaktion auf die Pressemitteilung des Beklagten veröffentlichte der Kläger am 01.11.2023 auf seinem Account bei Instagram einen weiteren Post.

Daraufhin erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger mit zwei am 03.11.2023 zugegangenen Schreiben vom 02.11.2023 außerordentliche, fristlose Kündigungen. Der Beklagte begründete diese Kündigungen insbesondere wie folgt: Der Kläger habe in seinem am 01.11.2023 veröffentlichten Post die am 27.10.2023 erfolgte Distanzierung von der Botschaft, er wolle den Überfall der Terrororganisation Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad auf den Staat Israel nicht rechtfertigen und/oder unterstützen und dem Staat Israel das Existenzrecht nicht absprechen, relativiert.

Gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch diese Kündigungen hat sich der Kläger vor dem ArbG Mainz zur Wehr gesetzt und darüber hinaus die Fortzahlung seiner Vergütung einschließlich einer vertraglichen Sonderzahlung begehrt. Der Beklagte hat in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren im Wege der Widerklage u.a. die teilweise Rückzahlung einer bereits gezahlten Sonderzahlung und die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend gemacht.

Die Klage des Klägers hatte vor dem ArbG Mainz Erfolg. Die Widerklage des Beklagten hat das ArbG Mainz abgewiesen.

Mit seiner Berufung bei dem LAG Rheinland-Pfalz hat der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage und seine Widerklage weiterverfolgt und darüber hinaus im Wege der Widerklage hilfsweise die Rückzahlung der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil gezahlten Vergütung begehrt.

Die Berufung des Beklagten vor der 3. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz hatte in der Sache keinen Erfolg.

Die außerordentlichen, fristlosen Kündigungen des Beklagten in den beiden Schreiben vom 02.11.2023 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Der Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Kündigungen nicht auf das im Nachgang zu dem Überfall der Terrororganisation Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad in den frühen Morgenstunden des 07.10.2023 auf den Staat Israel bis zum 30.10.2023 gezeigte Verhalten des Klägers berufen. Der Beklagte hat in der auch von dem Kläger zur Kenntnis genommenen Pressemitteilung vom 30.10.2023 auf ein etwa entstandenes Recht zum Ausspruch einer Kündigung wegen des ihm bekannten Verhaltens des Klägers verzichtet. Auch der am 01.11.2023 in Reaktion auf die Pressemitteilung des Beklagten vom 30.10.2023 veröffentlichte Post des Klägers auf seinem Account bei Instagram vermag die Kündigungen des Beklagten nicht zu rechtfertigen. Insbesondere hat der Kläger in diesem Post weder den Überfall der Terrororganisation Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad auf den Staat Israel am 07.10.2023 gerechtfertigt und/oder unterstützt noch hat er dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen. Dies ergibt die gebotene Auslegung dieses Posts des Klägers unter Berücksichtigung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Dem Kläger steht, da die Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben, der geltend gemachte Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung einschließlich einer vertraglichen Sonderzahlung zu. Der Beklagte kann die hilfsweise geltend gemachte Rückzahlung der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil gezahlten Vergütung, die teilweise Rückzahlung der bereits gezahlten Sonderzahlung und eine Vertragsstrafe im Zusammenhang mit dem Post vom 01.11.2023 nicht verlangen. (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.11.2025 – 3 SLa 254/24)

Pressemitteilung des LAG Rheinland-Pfalz v. 12.11.2025

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