OLG Frankfurt a.M.: Revisionen gegen Freisprüche wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung

Der 3. Strafsenat des OLG Frankfurt a.M. befasste sich mit zwei Revisionen gegen Freisprüche wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. In dem einen Verfahren bestätigte das OLG den Freispruch, in dem anderen hob es die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das AG. Nicht jede üble oder auch rassistische Äußerung erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung (insbesondere nicht § 130 Abs. 1 StGB a.F.), so das OLG. Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist eng gefasst und muss mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG auch eng ausgelegt werden. 

In der zweiten Sache hatte der Senat über die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft gegen ein vom Vorwurf der Volksverhetzung freisprechendes Urteil des AG Eschwege zu entscheiden. Mit der Anklage wurde einem islamistischen Prediger vorgeworfen, in einem Beitrag auf dem YouTube-Channel „Im Auftrag des Islam TV“ 2018 gegenüber Personen, die er überwiegend als „Zionisten“ bezeichne, diverse verleumderische und ggf. rassistische Behauptungen aufgestellt zu haben. Zu diesen Behauptungen gehörte u.a., dass diese die nichtjüdische Bevölkerung über große Lebensmittelkonzerne durch die Beimischung von Emulgatoren vergiften wollten, während sie selbst koscher essen und dadurch die angeblichen Giftstoffe vermeiden würden.

Der Senat hat auf die Revision hin das Urteil aufgehoben und die Sache an das AG zurückgewiesen. Das Urteil leide bereits an einem Darstellungsmangel, so der Senat. Die Urteilsgründe enthielten keine Ausführungen, wie der Anklagevorwurf in den tatsächlichen Einzelheiten laute. Der Senat wies zugleich darauf hin, dass sich das AG in der neuen Hauptverhandlung auch mit der Frage wird befassen müssen, ob sich die Beschimpfungen gegen eine i.S.v. § 130 StGB a.F. ausreichend abgrenzbare, etwa religiöse Gruppe richteten. Das könnte bei Angriffen gegen „die“ Juden der Fall sein. Bei Angriffen gegen einzelne, vom Angeklagten den „Zionisten“ zugerechnete Personen könnte es daran fehlen, zumal der Angeklagte offenbar einen völlig kruden, nicht abgrenzbaren Begriff der „Zionisten“ verwende. Dabei sei neben dem Wortlaut einer Äußerung auch ihr objektiver Sinngehalt entscheidend. Ergebe die Auslegung einer Erklärung aus objektiver Sicht eines unvoreingenommenen Dritten, dass der Erklärende den Begriff „Juden“ nur deshalb vermeide, weil er Strafbarkeit befürchte, seinen Zuhörern aber unmissverständlich vermittele, dass er nicht nur eine nicht abgrenzbare kleine Teilmenge, sondern „die Juden“ meine, sei er auch an diesem Sinngehalt festzuhalten. Der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB erfasse nicht nur ausdrückliche, sondern auch konkludente Äußerungen. Kämen allerdings mehrere Interpretationen der Äußerung ernsthaft in Betracht, gebiete es die in Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit und der Grundsatz „in dubio pro reo“, diejenige Auslegung zu Grunde zu legen, bei der es deshalb am Tatbestand der Volksverhetzung fehle, weil die entsprechende ggf. rassistische Bemerkung sich nicht gegen eine ausreichend abgrenzbare Personengruppe richte. (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.11.2022 – 3 Ss 131/22 und 3 Ss 123/22)

Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. Nr. 89 v. 01.12.2022

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