Das Land Berlin ist verpflichtet, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vorläufig monatlich € 434.111 zu zahlen. Das hat das OVG Berlin-Brandenburg entschieden und damit einer Beschwerde der Jüdischen Gemeinde zu Berlin stattgegeben sowie eine weitere Beschwerde des Landes Berlin gegen einen Beschluss des VG Berlin zurückgewiesen.
Das Land Berlin und die Jüdische Gemeinde zu Berlin schlossen im November 1993 den „Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin zur Jüdischen Gemeinde zu Berlin“. Nach Art. 6 des Staatsvertrages gewährt das Land Berlin der Jüdischen Gemeinde zum Ausgleich des nicht gedeckten Ausgabenbedarfs ihrer Wirtschaftspläne einen jährlichen Zuschuss. Im April 2013 stellte das Land Berlin die Zahlungen mit der Begründung ein, die Jüdische Gemeinde habe keinen den Anforderungen des Staatsvertrages entsprechenden Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 vorgelegt. Über die daraufhin zum VG Berlin erhobene Klage (VG 26 K 260.13) ist noch nicht entschieden. Das VG Berlin verpflichtete jedoch auf Antrag der Jüdischen Gemeinde das Land Berlin mit Beschluss vom 21.06.2013 im Wege einstweiligen Rechtsschutzes dazu, vorläufig monatlich jeweils € 434.111 zu zahlen.
Nach einem ersten erfolglosen Abänderungsverfahren beantragte das Land Berlin im November 2013 beim VG erneut eine Änderung des Beschlusses vom 21.06.2013. Zur Begründung verwies es unter anderem darauf, dass ein Zahlungsanspruch jedenfalls ab Januar 2014 nicht mehr bestehe. Dem Land stehe eine Rückforderung gegen die Jüdische Gemeinde wegen Überzahlungen in den Pensionsfond in Millionenhöhe zu, diese Forderung habe es gegen den Zahlungsanspruch der Gemeinde aufgerechnet. Das VG hat daraufhin den Beschluss vom 21.06.2013 dahingehend geändert, dass das Land Berlin bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Klageverfahren, längstens bis Dezember 2014, jeweils € 334.111 monatlich zu zahlen habe. Dabei ist es davon ausgegangen, dass das Land mit einem Rückforderungsbetrag von jeweils € 100.000 monatlich aufrechnen dürfe.
Das OVG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Landes Berlin zurückgewiesen und der ebenfalls hiergegen gerichteten Beschwerde der Jüdischen Gemeinde stattgegeben. Dabei hat es die Frage, ob und in welchem Umfang der Jüdischen Gemeinde im einzelnen Zahlungsansprüche aus dem Staatsvertrag zustehen und ob und ggf. in welchem Umfang diese im Wege der Aufrechnung mit Gegenforderungen reduziert werden dürften, ausdrücklich offen gelassen. Die mit den gegenseitigen Ansprüchen in Zusammenhang stehenden Fragen seien komplex und von großer Tragweite und ließen sich deshalb im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht ohne weiteres beantworten. Dies müsse vielmehr in dem beim VG anhängigen Klageverfahren erfolgen. Dort dürfte insbesondere zu klären sein, ob und in welchem Umfang staatsvertraglich abgesicherte Dotationen an Religionsgemeinschaften „aufrechnungsfest“ seien. Der hier in Rede stehende Staatsvertrag bezwecke nach seinem Art. 1 den Schutz und die Sicherung des Bekenntnisses und der Ausübung des jüdischen Glaubens. Der Zuschuss nach Art. 6 des Staatsvertrages bilde dabei das Fundament der Staatsleistungen, sozusagen die Grundfinanzierung, die maßgeblich zu dem Ziel beitrage, die Entfaltung jüdischen Lebens und Glaubens in Berlin zu unterstützen. Die Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren ergehe auf Grundlage einer reinen Interessenabwägung. Diese Abwägung gehe zu Gunsten der Jüdischen Gemeinde aus. Denn es spreche viel für die Annahme, dass ein Ausbleiben der Zahlungen für die Jüdische Gemeinde existenzbedrohend sein könne. Demgegenüber bliebe es dem Land Berlin unbenommen, nach rechtskräftiger Entscheidung im Klageverfahren seine Rückforderungsansprüche gegebenenfalls gegen künftige Zuwendungsansprüche der Jüdischen Gemeinde aufzurechnen. (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.04.2014 – OVG 6 S 6.14)
Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg Nr. 14 v. 23.04.2014
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