VGH Baden-Württemberg: Kein Anspruch auf ungeschwärzte Informationen aus den Akten des Kultusministeriums betreffend die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden – Urteilsgründe liegen nun vor

Das VG Karlsruhe hatte die Klage auf Informationszugang mit Urteil vom 24.11.2021 (6 K 192/19) abgewiesen. Der Kläger war Erster Vorsitzender einer Gemeinde der israelitischen Religionsgemeinschaft in Baden K.d.ö.R. und wurde nach Untreuevorwürfen abberufen. In deren Folge fanden umfangreiche Wirtschaftsprüfungen statt, die u.a. die ordnungsgemäße Verwendung finanzieller Zuwendungen des Landes untersuchten. Auf seinen Antrag hat das Kultusministerium dem Kläger nur eingeschränkt Zugang zu den bei ihm in dieser Angelegenheit vorliegenden Informationen gewährt. Die auf vollständigen Informationszugang gerichtete Klage des Klägers hat das VG Karlsruhe weitgehend abgewiesen. Einem weitergehenden Informationsanspruch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) stünden Persönlichkeitsrechte Dritter sowie das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der beigeladenen Religionsgemeinschaft bzw. der betreffenden Gemeinde nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV entgegen. Dieses sei als „ungeschriebener“ Ausnahmegrund bei der Anwendung des LIFG zu berücksichtigen.

Der 10. Senat hat das Urteil des VG zwar nicht in der Begründung, aber im Ergebnis bestätigt. Die internen Vorgänge bei den beigeladenen Religionsgemeinschaften seien vom Grundgesetz geschützt. Danach hätten die Religionsgemeinschaften das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten selbst und ohne Einmischung des Staates zu regeln. Unter die religionsverfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie fielen typischerweise auch die Haushaltsführung, Vermögensverwaltung und wirtschaftliche Tätigkeit der Religionsgemeinschaften. Entgegen der Auffassung des VG könnten dem Informationsanspruch des Klägers nach dem LIFG die einschlägigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) aber nicht als ungeschriebene Ausnahmegründe direkt entgegengehalten werden. Das LIFG enthalte vielmehr ein abgeschlossenes System von Bereichsausnahmen und Ausschlussgründen, die den im Grundsatz umfassenden und voraussetzungslosen Informationsanspruch begrenzten. Das Fehlen einer Ausnahmebestimmung zum Schutz der Selbstverwaltungsgarantie der Religionsgemeinschaften stelle allerdings eine vom Gesetzgeber ungewollte, planwidrige Regelungslücke dar. Diese sei durch eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 6 Satz 2 LIFG) zu schließen. Ein Zugang zu Informationen, die der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie einer Religionsgemeinschaft zuzurechnen sind, dürfe danach nur gewährt werden, wenn die Religionsgemeinschaft hierin einwillige.

Die Revision zum BVerwG wurde nicht zugelassen. Dagegen kann der Kläger binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG erhoben werden. (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2023 –10 S 916/22)

Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg v. 05.03.2024

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